Ein Kopf voller Gedanken

Warum bin ich so wie ich bin?

Gedanken über mich

Manchmal frage ich mich, warum ich so bin wie ich bin.

Wie bin ich so geworden?

Was hat mich zu der Frau gemacht, die ich heute bin?

Warum denke ich das, was ich denke?

Warum handle ich so, wie ich handle?

Was und wer haben mich wesentlich geprägt?

Meine Eltern, meine Lehrkräfte, mein soziales Umfeld?

Manchmal fühle ich mich komisch.

Wie eine Exotin.

Ich entspreche nicht dem typischen Bild.

Einer Mutter aus dem Süden Deutschlands.

Die Lehrerin an einer Schule ist.

Einem Bild, das viele von Frauen wie mir haben.

Manchmal mag ich nicht sagen, dass ich Lehrerin bin.

Weil jede*r meint zu wissen, wie Lehrer*innen sind und was sie tun.

Manchmal möchte ich nicht als „Mama“ typisiert werden.

Weil die Gesellschaft ein ganz bestimmtes traditionelles Mama-Bild pflegt.

Und manchmal möchte ich keine Schwäbin sin.

Weil dies mit vielen negativen Adjektiven assoziiert wird.

Dabei bin ich alles davon mehr als gerne.

Auch wenn das manchmal nicht so einfach ist.

Ja, warum bin ich so wie ich bin?

Warum denke ich das, was ich denke?

Und warum denken nicht alle so?

Ich widerspreche so vielem.

Wie ich aufgewachsen bin.

Was für Glaubenssätze ich mitbekommen habe.

Dem traditionellen Gedankengut.

Dem konservativen Christentum.

Ich mache so vieles anders.

Und ich würde gern noch viel mehr anders machen.

Ich denke, was ich denke.

Ich habe zu vielem eine Meinung.

Manch eine davon ist festgefahren.

Leider.

Manch eine nicht.

Manche Sachen sind mir egal.

Oder müssen mir egal sein.

Sich um alles kümmern ist utopisch.

Geht nicht.

Manchmal gehe ich kaputt.

Weil ich gerne noch mehr machen würde.

Mich um noch mehr kümmern.

Mehr handeln.

Weil ich um die vielen Notstände in der Welt weiß.

Doch ich habe nur 24 Stunden täglich Zeit.

Ich habe zwar viel Energie.

Viel Kraft.

Aber sie ist begrenzt.

Ich kämpfe für Vieles.

Kümmere mich um die Sachen, die mir wichtig sind.

Meine engste Familie.

Meinen Mann.

Unsere drei Kinder.

Ich kümmere mich um meine Freundschaften.

Und um mich.

Meinen Körper.

Meine Gesundheit.

Meine Arbeit.

Ich mache mich für den Feminismus stark.

Für eine gerechtere Welt.

Für eine gleichberechtigtere Welt.

Menschen auf Augenhöhe.

Toleranz.

Und kann nicht verstehen, warum das nicht alle tun.

Warum das nicht allen wichtig ist.

Dass Männer nicht immer nur stark sein müssen.

Und Frauen nicht hilflos und schwach.

Ich verstehe nicht, wie man rechtspolitische Gesinnungen haben kann.

Menschenrechte mit Füßen treten.

Andersgläubige und Andersdenkende ablehnen.

Die Herkunft als Maßstab für wertvoll nehmen.

Mensch ist doch Mensch.

Immer.

Was spielen Hautfarbe, Religion und sexuelle Orientierung für eine Rolle?

Ein Schüler fragt mich nach meinen Wurzeln.

„Ich habe deutsche Wurzeln!“

„Nur deutsche?“

„Ja!“

„Oha, das kann ich mir nicht vorstellen.

Ich bin so stolz auf meine libanesischen Wurzeln.“

„Aber ist es denn so wichtig, welche Wurzeln man hat?

Wir sind doch alle einfach Menschen.

Egal woher wir kommen.

Nur das zählt.“

„Das haben Sie schön gesagt, Frau Barth!“

Sagt mir ein 13-Jähriger.

Er hat es verstanden.

Für diesen Moment.

Und das macht mich glücklich.

Manche Erwachsene verstehen das nicht.

Sie machen Unterschiede.

Sehen nicht alle Menschen einfach nur als Menschen.

Ärgern sich über Dinge, die die Gleichberechtigung sichtbar machen wollen.

Gendersternchen zum Beispiel.

Genderwahnsinn.

Gendergaga.

So wird es tituliert.

Wenn alle Menschen in einem Wort gemeint sind.

Und nicht nur die Männer.

Generisches Maskulin.

Hauptsache sie sind mitgemeint.

„Lehrer*innen sind erschöpft,“ sage ich.

„Etwa nur die Frauen?“ werde ich gefragt.

Meine Pause beim gegenderten Wort wurde überhört.

Aber warum wird denn überhaupt nachgefragt?

Hätte ich „Lehrer“ gesagt wäre nicht nachgefragt worden.

In was für einer Welt leben wir denn immer noch?

In der das männliche Wesen die Norm ist?

Die Standard-Temperatur in Büros ist auf Männer abgestimmt.

Crashtest-Dummies bei Autos haben eine männliche Durchschnittsstatur.

Die Sicherheitsgurte und Airbags sind auf Männer ausgelegt.

Standardklaviere sind für durchschnittliche Männerhände konzipiert.

Medikamente werden an Männern getestet.

Dass unsere weiblichen Körper andere Voraussetzungen haben ist wohl egal.

Krankheiten werden bei Frauen später diagnostiziert.

Im Schnitt vier Jahre.

Die Gründe?

Vorurteile und fehlendes Wissen.

Informationslücken in der Medizin.

Cis-Männer als Norm.

Frauen sind für die Verhütung verantwortlich.

Pille für die Frau – voller Hormone.

Kein Problem.

Es geht ja nur um ihren Körper.

Pille für den Mann.

Gibt es bisher noch nicht.

Es traten unerwünschte Begleiterscheinungen auf.

Dann soll diese lieber die Frau haben.

Frauen sind in der Politik massiv unterrepräsentiert.

Sie werden negativer beurteilt.

Wenn sie das Wort in männlich dominierten Kontexten das Wort ergreifen.

Auch wenn sie exakt dasselbe sagen wie ein Mann.

Frauen gelten in der Politik schnell als aggressiv.

Männer hingehen als durchsetzungsfähig oder bestimmt.

Die Liste der Benachteiligungen ließe sich noch weiter fortsetzen.

Von wegen: Wir sind doch längst alle gleichberechtigt.

Die Gleichberechtigung liegt in weiter Ferne.

Rund 50% der Menschen sind Frauen.

Aber die Norm ist weiterhin der Cis-Mann.

Finde den Fehler.

Und was hat das eigentlich mit mir zu tun?

Mehr als genug.

Mit unserem Lebensmodell werden wir ständig daran erinnert.

Wie wenig sich verändert hat.

Wie Arbeitgeber*innen bei Männern keine Teilzeit genehmigen.

Oder Elternzeit.

Wenn dann nur mit einem blöden Kommentar.

„Karriere kannst du dann aber vergessen!“

Gleichberechtigung in weiter Ferne.

Wie davon ausgegangen wird, dass ich nur Teilzeit arbeite.

Weiblich, Vollzeit, Baby 6 Monate alt.

Geht nicht.

Gibt’s nicht.

Männlich, Vollzeit, Baby 6 Monate alt.

Geht.

Gibt es.

Ist Standard.

Wird nicht in Frage gestellt.

Ich frage mich, warum nicht noch mehr Menschen das System hinterfragen.

Die Ausbeutung des Patriarchats.

Die Vormachtstellung des Mannes.

Das traditionelle Familienbild.

Ich frage mich, warum ich das mache.

Warum ich so geworden bin, wie ich bin.

Warum ich so denke.

Und handle.

Und komme nicht wirklich drauf.

Wie bin ich zu der Person geworden, die ich heute bin?

Manchmal hinterfrage ich alles.

Aber nur manchmal.

Meistens liebe ich meine Überzeugungen.

Und frage mich, warum nicht noch mehr Menschen so denken wie ich.

Warum denkst DU das, was du denkst?

Woher kommen DEINE Überzeugungen?

Wer oder was hat DICH wesentlich geprägt?

Warum bist DU zu dem Menschen geworden, der du heute bist?

Hast du schon einmal darüber nachgedacht?

Ich kenne die Antwort nicht.

Zumindest nicht ausreichend.

Aber ich bin wie ich bin.

Ich zweifle.

Falle.

Stehe wieder auf.

Und mag mich.

Ich entdecke Neues.

Schlage andere Richtungen ein.

Lasse mich beeinflussen.

Verändere mich.

Getrieben von dem Wunsch, etwas zu verändern.

Das Leben lebenswert zu machen.

Für mich und andere.

Ich bin, wer ich bin.

Und das ist gut so.

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