Ein Kopf voller Gedanken

Und was ist mit Gleichberechtigung?

Gedanken über Unterordnung, Schutz und Gott

Ich wundere mich. Immer wieder. Über Meinungen und Intoleranz. Über verschobene Wahrnehmungen und gefühlt sehr viel Naivität. Die Bibel wortwörtlich nehmen – geht das denn überhaupt? Warum wird trotzdem so viel interpretiert? Wortwörtliche Interpretation oder interpretierte Wortwörtlichkeit? Welche Übersetzung nimmt denn das Wort wörtlich? Hat sich Gott einfach mal in einem Buch festschreiben lassen? Einfach so? Niedergeschrieben. Festgefahren. Ja, so empfinde ich den Glauben vieler konservativer Menschen. Kein Spielraum. Kaum Raum für mehr. Mehr Ausschluss als Nächstenliebe. Junge Männer, die auf der Kanzel stehen und predigen, dass Frauen sich unterordnen sollen. Weil es so in der Bibel steht. Weil Gott das so will. Ach ja, woher weißt du denn so genau, was Gott so will? Hat er es dir zugeflüstert? Ach nein, ich vergaß, er hat es ja aufschreiben lassen. In einer Sprache, die du nicht verstehst. Von Menschen, die du nicht kennst. In einer Zeit, die du nicht miterlebt hast. In einem Kontext, der sich von deinem stark unterscheidet. Aber es ist ja Gottes Wort. Gestern, wie heute und auch morgen dasselbe. Stehengeblieben. Festgefahren. Intolerant. Ja, ich bin zynisch. Manchmal wohl etwas zu sehr. Aber ich finde es einfach erschreckend solche Predigten zu hören. Über die Unterordnung der Frau. Aber vielleicht muss ich viel früher beginnen. Warum es mich so triggert. So innerlich aufwühlt. Warum ich so zynisch bin. So erschüttert.

Ich wurde in eine sehr christliche Familie hineingeboren. Ich hatte eine behütete Kindheit mit 8 Geschwistern und Eltern, die uns liebten und das Beste für uns wollten, jedoch selbst gefangen waren. In erzkonservativen christlichen Vorstellungen. Uralte Werte und Vorstellungen konserviert in kleinen Dosen. Unsere Erziehung war folglich geprägt von Gehorsam, Gottesdiensten, viel Verzicht, Angst vor der Hölle und Strafen. Nicht falsch verstehen: Ich hege keinen Groll meinen Eltern gegenüber. Sie haben ihr Bestes gegeben. Sie haben uns geliebt. Und lieben uns immer noch. So eine stark konservative christliche Erziehung lässt einfach in vielen Dingen wenig Spielraum zu. Es gibt klare und starre Regeln, die Bibel ist das Maß aller Dinge und der Herr im Haus hat das Sagen.

Meine Kindheit war trotzdem schön und ich war glücklich: Ich hatte stets jemanden zum Spielen. Meine Geschwister, meine Cousinen und Cousins, Freund*innen. Mir flog vieles zu, in der Schule habe ich mir nicht all zu schwer getan. Rebelliert habe ich meistens heimlich und nie zu krass, die Angst vor der Hölle war meistens größer. Es gab vieles, was ich deshalb nicht getan habe, auch wenn ich es in dem Moment gewollt hätte. Aber das ist Vergangenheit. Die lässt sich nicht verändern.

Heute ist heute. Die Zukunft ist gestaltbar. In meinem Leben ist viel passiert. Ich durfte Theologie auf Lehramt studieren und das war ein großes Glück. Das Studium hat mir in vielen Dingen die Augen geöffnet. Und wohl die größte Befreiung meines Lebens war dann und dadurch die Loslösung vom konservativen Christentum. Mit all den vielen Regeln und Vorschriften. Mit dem längst überholten und erniedrigendem Bild von Weiblichkeit. Mit all dem, was ich sein sollte, aber eigentlich nicht wollte und auch nicht konnte: Gehorsame Tochter, unterwürfige Frau, untergeordnete Ehefrau, erfüllte Mutter und zufriedene Hausfrau. Das war und bin ich nicht. Noch nie. Ich habe mich deshalb schon so oft falsch gefühlt. Mir hat die Bibelstelle, in der es heißt: „Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn.“ (Epheser 5, 22) schon immer Unwohlsein beschert und schon die verschiedensten Auslegungen dazu gehört.

Was soll das denn heißen? Warum ist eine Ordnung überhaupt wichtig? Eine Hierarchisierung? Sind wir nicht alle gleichwertig? Warum ist Macht oft so ein wichtiges Instrument? Warum soll jemand – ein Mann – über jemand anderes – eine Frau – Macht ausüben? Warum wird das immer noch gepredigt? Seht ihr denn nicht, wie viel Schreckliches uns das Patriarchat gebracht hat? Wie viel Leid, Angst und Not?

Das Patriarchat. Eine grausame Gesellschaftsordnung. „Bei der der Mann eine bevorzugte Stellung in Staat und Familie innehat.“ Diese Definition bereitet mir Herzrasen. Wie kommt man denn auf so etwas? Warum soll es gut sein, dass Männer eine bevorzugte Stellung haben? Hat die Vergangenheit denn gezeigt, dass es gut war? Was zeigt uns denn die Geschichte? Können Männer mit dieser Bevorzugung gewissenhaft umgehen? Einfach weil sie Männer sind? Was war bzw. ist mit all den Kriegen? Mit all dem Leid, das es auf der Welt gibt? Ich könnte einige Männer aufzählen, die dafür mitverantwortlich sind. Nicht weil Männer einfach so sind wie sie sind. Sondern weil sie zu etwas gemacht werden, was sie nicht sein können. Weil die Verantwortung doch einfach zu groß ist. Mit Macht umgehen. Der Hausherr sein. Die wichtigen Entscheidungen treffen. Die Frau in der Ehe schützen. Als wären wir Frauen ohne den Schutz des Mannes verloren. Wie schützend ist denn so manche Ehe? „Jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner.“ So das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. „Die eigene Wohnung in der man sich sicher fühlen möchte wird zu einem gefährlichen Ort.“ Toller Schutz, wirklich! Alle Frauen würden darauf sicherlich gerne verzichten. „Häusliche Gewalt ist für viele Frauen tägliche Realität.“ „Alle 45 Minuten wird eine Frau Opfer von vollendeter und versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt.“ Schrecklich. Grausam. Unmenschlich.

Aber in christlichen Ehen wird das wohl nicht vorkommen. Sie sind ja von Gott geschützt. Ist das so? Was gibt euch da die Gewissheit? Vor allem wenn es anscheinend Gottes Auftrag sein soll, dass der Mann das Oberhaupt ist und die Frau sich unterordnen soll? Patriarchat in der Ehe. Eine willkommene Einladung, die eigene Frau als Besitz zu betrachten. Und damit kann man ja machen was man will. Beim Aufschreiben dieser Sätze wird mir irgendwie schlecht. Was für eine Schmach und Erniedrigung von Frauen. Unter dem Deckmantel der Liebe. Kein Wunder geht es mit der Gleichberechtigung kaum voran. Vor allem in christlichen Gemeinden. Wird dort auch nicht gerade gefördert oder gepredigt. Die Frau kann ja Leitungspositionen übernehmen, aber nur von Frauen- oder Kinderkreisen. Wie traurig. Wie schrecklich. Wie ernüchternd.

Wie schön ist es, wenn man eine gleichberechtigte Beziehung führen darf. Wenn Begabungen gelebt werden und nicht irgendwelche vorgeschriebenen Rollen. Als ob alle Männer genetisch bedingt gerne leiten und führen wollen. Und als ob alle Frauen sich gerne unterordnen wollen. Mich macht dies alles so wütend und traurig. Und die Statistik zeigt immer wieder neu auf, dass es so wohl nicht funktioniert. Dass Macht ausgenutzt wird und so viel Leid passiert. Ich wünsche mir so sehr, dass unsere Welt gleichberechtigt wird. Dass Menschen als Menschen gesehen werden. Unabhängig von irgend etwas. Dass Menschen sich ihrer jetzigen Privilegien bewusst werden. Dass Menschen über Macht nachdenken.

Ja, das wünsche ich mir.

7 Kommentare

  • Anonymous

    Ich denke schon, dass man eine gleichberechtigte Beziehung/ Ehe führen kann. Denn Unterordnung hat nach Gottes Willen sicher nichts damit zu tun, dass der Mann die Frau als Besitz ansehen kann oder gar beherrschen. Überleg mal, Jesus hat den Männern sogar den Auftrag gegeben, ihre Frauen so zu lieben, wie Jesus die Gemeinde.
    Und wenn ein Mann das, mit Gottes Hilfe! versucht, wird er seine Frau sicher nicht beherrschen wollen. Er hat ja nur das Beste für sie und die Familie im Sinn. Und wenn das so ist, kann sich eine Frau auch dem Mann unterordnen.

    Meiner Meinung wird die Welt nie gerechter werden- egal wie sehr sich die Menschen anstrengen. Wenn Gott keinen Stellenwert mehr spielt, wenn die Menschen nicht mehr nach Gott fragen und sich von ihm leiten lassen, kann sich der Mensch anstrengen wie er will. Wir aus eigener Kraft können das nicht.
    Eigentlich müssten die Menschen doch aus der Vergangenheit lernen. Krieg- schrecklich. Bringt nur Leid… Warum wiederholt sich das in der Geschichte immer wieder?
    Weil das Böse in der Welt ist … Ja, in jedem Menschen.
    Wenn sich der Mensch nicht zu Gott bekehrt, ihn um Vergebung bittet und täglich immer wieder von Gottes Vergebung und Gnade lebt, ist er, sind wir, letztendlich verloren und gefangen in der Sünde.

    • Anonymous

      Also ich finde genug Beispiele in der Geschichte von Menschen die die Welt Gerechter gemacht haben. Ich denke hier an Martin Luther King, Nelson Mandela oder Aung San Suu Kyi und viele mehr… Zugegeben es läuft viel schief in dieser Welt doch wir haben als Menschheit im ganzen schon viele Fortschritte gemacht. Mir kommt da die UN Menschenrechtscharta in den Sinn oder die Tatsache das immer mehr Menschen Zugang zu Bildung und Medizin genießen, die Lebenserwartung steigt und die Kindersterblichkeit sinkt. Auch in Sachen Gleichberechtigung gibt es zwar noch einiges zu tun aber es hat sich auch schon sehr viel verbessert.

      Leider sorgt unserer Menschliches Gehirn dafür das wir die negativen Erfahrungen und Schlagzeilen viel stärker wahrnehmen was dann wiederum ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit ergibt. Versteh mich nicht falsch es gibt noch viel zu verbessern und vermutlich werden wir immer nur auf dem Weg sein hin zu einer gerechteren Welt, aber zu sagen nur weil das Böse in der Welt ist brauche ich nichts tun da nur Gott irgendwann mal für Gerechtigkeit sorgen wird finde ich falsch und behindert der Fortschritt. Wo wären wir heute ohne die genannten Persönlichkeit und viele mehr…

      Noch ein Wort zu der Bibelstelle das sich die Frau dem Mann unterordnen soll. Wenn der Mann ja nur mit Gottes Hilfe VERSUCHEN kann seine Frau zu lieben wie Jesus die Gemeinde wird am Ende immer ein Stück Hierarchie und ein Machtgefälle übrig bleiben (da wir ja Menschen sind und nicht Jesus also Fehlerlos – un deinem Argument zu folgen).

      Mir wird aus dieser Bibelauslegung einfach nicht klar für was diese Hierarchie gut sein soll. Im Gegenteil sie sorgt lediglich dafür daß sie ausgenutzt werden kann und das laut Statistik auch viel zu häufig wird. Was hätte das wohl für Folgen wenn Mann und Frau sich auf einer Augenhöhe begegnen. Mir fallen keine negativen ein…

      • Anonymus der 3.

        *Gleichberechtigung*

        Menschen sind nicht gleich. Sie tun nicht das Gleiche und darum sind sie für eine Gesellschaft auch nicht gleich wertvoll und dürfen auch nicht gleich behandelt werden.

        Das heißt nicht, dass nicht jeder Mensch und jedes Lebewesen respektvoll behandelt werden soll. Ganz im Gegenteil.

        Aber Gleiches bekommt nur, wer gleiches Leistet. Statt dem Gleichberechtigungsgeschreie sollten diejenigen lieber überlegen, wie sie ihrer Umwelt und ihren Mitmenschen einen größeren Nutzen stiften.

  • Tabea

    Liebe Esthi,

    ich kann mich den obigen Kommentaren nur anschließen. Die Bibelstelle in Epheser 5 wird leider oft falsch verstanden und wurde falsch verstanden. Auch du verstehst sie wohl so, wie viele, die patriarchalisch denken. Jesus wollte nie, nie, nie, dass der Mann über die Frau herrscht. Es geht hier überhaupt nicht um Macht, sondern um das beste miteinander, geprägt von Achtung, Liebe und gegenseitiger Unterordnung. Zur Zeit Jesu damals war die Frau nicht viel wert. Jesus hat sie aber auf die gleiche Höhe gestellt wie den Mann. ER gab ihr Würde und gibt ihr Würde. Leider haben die Menschen daraus etwas anderes gemacht und viele Männer pochten auf diese Bibelstelle und forderten Gehorsam von ihrer Frau. Leider und zu Unrecht! Auch heute kommt das noch vor. Und ja, es gibt viel häusliche Gewalt, die zunehmend ist. Doch das ist niemals Gottes Wille – es sind leider Folgen von der Abkehr von Gott. Die Ehe ist der Schutzraum für Mann und Frau. Schau mal in unsere Welt – wie viel Not und Leid erleben wir, auch gerade hier in Deutschland. Das hast du auch geschrieben. Ich bin durch meine berufliche Tätigkeit fast täglich damit konfrontiert. Dieses Leid, diese Not wollte Gott nicht. Deshalb wollte und will er uns durch Ordnungen schützen. Aber wir hören nicht, wir gehen eigenen Wege. Und müssen die Folgen daraus tragen. Selbst gemacht, nicht von Gott gewollt.

    Ich wünsche mir so sehr, dass du diese Dinge erkennen kannst, wie sie Jesus wirklich gemeint hat. Und ich wünsche dir, dass du Ruhe findest am Herzen Jesu.

    Liebe Grüße

  • Aus Liebe

    Liebe Esther,
    Deinen ersten Beiträgen kann ich zustimmen, jedoch leider nicht deinem letzten Beitrag bzw Antwort. Die Bibel, der Glaube und unsere Hoffnung ist für die Tonne, wenn Gott nicht Ursprung, Wahrheit, Gerechtigkeit und der Autor der Bibel ist.

    Dann müssen wir einen anderen Weg wählen wie Che Guevara und Co.

  • Tabea

    Und diese Männer schrieben auch, dass ein Mann seine Frau so lieben soll, wie Jesus die Gemeinde. Was bedeutet das?
    Jesus hat sich selbst gegeben, hat sein Leben gelassen, geliebt – selbstlos.
    Was für eine Aufforderung an die Männer, so ihre Frauen zu lieben und sie mehr zu achten, zu schätzen, als sich selbst; sogar für sie ihr Leben zu geben. Das ist eine sehr herausfordernde Aufgabe! Nicht einfach! Aber eine wunderbare Aufforderung – wenn diese die Männer beachten und umsetzen würden, dann würde es allen Frauen gut gehen.

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